Traditionelle Chinesische Medizin – TCM

Das Denkmodell der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist nach dem heutigen Wissensstand ca. 2500 Jahre alt. Aus dieser Zeit stammen die ersten schriftlichen Überlieferungen. Es gibt allerdings Hinweise, welche die Grundlagen der TCM einiges älter schätzen lassen. Die philosophischen Bewegungen des Daoismus, Konfuzianismus und des Buddhismus haben die Medizin über die Jahre hinweg geprägt.
In der TCM definieren Körper, Geist und Seele gemeinsam den Menschen und sein Wohlbefinden. Das Zusammenspiel dieser drei Aspekte mit der Umwelt (soziales Umfeld, Klima, etc.) definieren Gesundheit oder Krankheit eines Menschen.

Die TCM arbeitet mit vier diagnostischen Methoden:

Betrachten z.B. Zunge, Köperhaltung
Hören und Riechen z.B. Stimme, Husten
Fragen z.B. Gespräch
Fühlen und Tasten z.B. Puls, Muskelspannungen

Mit Hilfe dieser diagnostischen Verfahren und den traditionellen Denkmodellen der TCM wird ein ganzheitliches Bild des Krankheitsmusters erstellt. Aus diesem Muster folgt ein individueller Behandlungsplan.
Die gebräuchlichsten Denkmodelle sind Yin Yang, das Meridiansystem (Jing Luo), die Fünf Wandlungsphasen (Wu Xing), das Organsystem (Zang Fu) und die Acht Leitkriterien (Ba Gang).

Qi

In der deutschen Sprache gibt es kein Wort, das die Vieldeutigkeit von Qi (ausgesprochen „tschi“) beschreiben könnte. Qi wird oft mit Lebensenergie übersetzt. Das chinesische Schriftzeichen für Qi setzt sich aus den Zeichen für „Dampf“ und „ungekochtem Reis“ zusammen. Qi ist sogleich Masse (Reis) wie Energie (Dampf). Mit Qi kann alles Immaterielle und Materielle beschrieben werden. Allumfassend gilt Qi als die Energie oder Kraft, die unseren Kosmos belebt. Ob Wolken, Pflanzen, unser Atem, unser Geist oder die treibende Kraft des Blutes; schlussendlich präsentieren all diese Phänomene verschiedene Formen des Qi. Zur Erklärung der physiologischen Abläufe sind in der Chinesischen Medizin neben dem Qi auch das Blut (Xue), die Säfte (Jin Ye), die Essenz (Jing) und der Geist (Shen) relevant.

Meridiansystem

Das Meridiansystem (Jing Luo) ist das Netzwerk, in welchem das Qi zirkuliert. Die Vernetzung der Meridiane ergibt einen Kreislauf. Fliesst das Qi frei in diesen Kanälen, wird der ganze Organismus genährt und ist ausgeglichen. Wir fühlen uns dann wohl und gesund. Die Meridiane können aber auch verstopft, verklebt, verschleimt oder blockiert sein und das Qi fliesst nur wenig oder gar nicht. Dies kann Unwohlsein, Schmerz oder Krankheit zur Folge haben. Der Qi-Fluss wird von Emotionen, Bewegungen, Gedanken, Stress, Wetter, Tageszeit und der Ernährung beeinflusst.

Yin Yang

Das bei uns bekannteste Denkmodell ist das Prinzip von Yin Yang. Das chinesische Schriftzeichen für Yin und Yang bedeutet wörtlich schattige bzw. sonnige Seite eines Berges. Yin und Yang stehen für zwei entgegengesetzte polare Kräfte, die sich gegenseitig einschliessen und in einer dynamischen Wechselbeziehung stehen. Ohne Yin kann es kein Yang geben und umgekehrt. Beide sind ineinander enthalten, beide kontrollieren und generieren sich. Aus diesen Grundsätzen folgen weitere asiatische Denkmodelle wie die Acht Leitkriterien oder das bei uns bekannte I Ging.

Hier noch einige Beispiele für Yin und Yang: Mond und Sonne, Kälte und Hitze, Frau und Mann, leer und voll, passiv und aktiv, Stillstand und Bewegung…

Wer da sagt schön, schafft zugleich unschön
Wer da sagt gut, schafft zugleich ungut
Sein bedingt Nichtsein
Schwer ergänzt leicht
Lang bemisst kurz
Hoch erzeugt niedrig
Laut bestimmt leise
Jetzt folgt Einst
Der Weise handelt ohne Tun, lehrt ohne Worte
Dinge entstehen und vergehen
Er erzeugt ohne zu besitzen
Er handelt ohne zu erwarten
Er vollendet ohne zu verweilen
Indem er sein Werk vergisst, bleibt es unvergessen

— Laozi, Daodejing

Fünf Wandlungsphasen

Die Fünf Wandlungsphasen erklären die Interaktionen und Beziehungen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt. Die Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser stehen in generierendem und kontrollierendem Verhältnis zueinander. In der Natur wandeln sich die Elemente wie folgt von einer Form in die andere:

Holz nährt Feuer – man braucht Holz, um Feuer zu machen.
Feuer nährt Erde – die Asche des Feuers nährt die Erde.
Erde nährt Metall – in der Erde entstehen die Erze.
Metall nährt Wasser – Mineralstoffe beleben die Gewässer.
Wasser nährt Holz – Wasser ist vonnöten, damit Holz wächst.

Gleichzeitig kontrollieren sich die Wandlungsphasen auch:

Holz kontrolliert Erde – die Wurzeln geben der Erde Stabilität.
Feuer kontrolliert Metall – Metall wird mit Feuer geformt.
Erde kontrolliert Wasser – die Erde kann das Wasser aufnehmen und aufhalten.
Metall kontrolliert Holz – eine Axt spaltet Holz.
Wasser kontrolliert Feuer – Wasser löscht Feuer.

Diese Abläufe können auf den Körper übertragen werden, indem den Elementen Organe, Emotionen, Jahreszeiten, Geschmäcker usw. zugeordnet werden. Somit werden die Elemente zu Wandlungsphasen.
Diese Wandlungsphasen werden genutzt, um physiologische und pathologische Abläufe im Körper zu erklären. Verliert man z.B. nach einem Wutanfall den Appetit, spricht man von Holz (Leber, Wut, Frühling, Saures), das die Erde (Magen, Sorgen, Spätsommer, Süsses) überkontrolliert.

Zang Fu

Das Organsystem der chinesischen Medizin wird als Zang Fu bezeichnet. Zang sind die Yin-Organe Leber, Herz, Milz, Lunge und Niere. Sie speichern, bilden und transformieren die verschiedenen Qi-Formen des Körpers. Die Yang-Organe Gallenblase, Dünndarm, Magen, Dickdarm, Blase und San Jiao werden als Fu bezeichnet. Sie sind für die Aufnahme, Trennung, Verteilung und Ausscheidung zuständig. Bei der Zang Fu Lehre werden spezifisch die Aufgaben der einzelnen Organe beschrieben. Die Leber hat z.B. die Aufgabe, Qi und Blut zu bewegen und in alle Körperregionen zu verteilen. Sie fördert das Wachstum und gibt Impulse. Bei Frauen hat sie die besondere Aufgabe, die Menstruation zu regulieren. Ist das Leber-Qi im Fluss, fällt es leichter Eindrücke zu verarbeiten, zu planen und kreativ zu sein.
Verbindet man das Zang Fu Denkmodell mit den Fünf Wandlungsphasen, so kann man den Funktionskreis als eine Paarung von einem Zang und einem Fu erklären. Leber und Gallenblase bilden ein Paar, werden dem Element Holz zugeordnet und somit auch dem Frühling, dem saurem Geschmack, der Farbe Grün, dem Sinnesorgan Auge usw. Ist also in der Chinesischen Medizin von der Leber die Rede, ist nicht nur das Organ, wie aus der schulmedizinischen Sichtweise bekannt, sondern der ganze Funktionskreis.

Acht Leitkriterien

Das Denkmodell der Acht Leitkriterien stellt eine Weiterführung des Prinzips von Yin Yang dar. Es erlaubt eine erste grobe Einteilung der zu Grunde liegenden Erkrankung. Die Symptome werden in Yin und Yang, Innen und Aussen, Kälte und Hitze, Mangel und Fülle eingeteilt. Somit wäre eine Erkältung, die sich mit Fieber, Halsschmerzen, heissem Kopf, gelbem Nasensekret, Schwitzen, roter Zungenspitze und oberflächlichem beschleunigtem Puls präsentiert, dem Yang, Aussen, heiss und voll zuzuordnen.

Puls- und Zungendiagnose

Neben der Befragung der Patienten bilden die Puls- und Zungendiagnose die Eckpfeiler unserer Anamnese. Bei der Betrachtung der Zunge liefern Form, Farbe und Bewegung des Zungenkörpers sowie die Beschaffenheit des Belages wichtige diagnostische Hinweise. Der Puls wird an drei Positionen an beiden Handgelenken simultan getastet. Jede Position wird einem Organsystem zugeordnet. So geben Pulsqualität und Position Auskunft über das Zusammenspiel der Systeme im Körper und ermöglichen uns, weitere Feinheiten des zu Grunde liegenden Musters zu erkennen. Die TCM unterscheidet 28 Pulsqualitäten.